Donnerstag, 6. Februar 2014

Dialekt und Status


Nachdem sich schon Dorothea und Ulrike Gedanken zu Dialekten und deren Status gemacht haben und mich zum Nachdenken gebracht haben, bin ich über Jayrome auf diesen Blogeintrag gestoßen: http://clararosa.blogsport.de/2014/02/06/hoemma-zu/. 
Die Autorin schreibt über die klassistische Abwertung, die sie (nicht nur) im akademischen Kontext als Dialektsprecherin erfährt.

Welchen Status sprechen wir Dialektsprecher_innen zu? Wieso wird Menschen, die kein lupenreines Hochdeutsch sprechen, mangelnde Bildung oder sogar mangelnde Intelligenz zugesprochen? Was ist mit "mangelnder Bildung" überhaupt gemeint? Mangelnde formale Bildung? Der fehlende Erwerb von staatlich anerkannten Abschlüssen?

Auf Ulrikes Ansatz in ihrem Buch, mit verschiedenen Sprachformen zu hantieren, um unterschiedliche Ebenen der Kommunikation auszudrücken, bin ich gespannt. Ich persönlich kann das nicht - als Lehrerinnenkind

Ein Vergleich zeigt vielleicht, was der deutschen Literatur durch die Nichtbeachtung von Dialekten und unterschiedlichen Sprachformen eigentlich entgeht, wie viele Stimmen bisher kaum erklingen:

In der englischsprachigen Literatur werden unterschiedliche "Englishes" längst genutzt und nach meinem Eindruck viel weniger gewertet als im Deutschen. Und das gilt für Dialekte in Großbritannien genauso wie für die globalen Ausprägungen des Englischen.

Irvine Welsh (den ich ansonsten gruselig finde) schreibt auf Schottisch, Salman Rushdie und Anita Desai mischen Einflüsse aus dem Urdu, Hindi und Gujarati mit dem Englischen als Verkehrssprache (oft als ´"Chutneyfication" bezeichnet), längst gibt es mit Aimé Cesaires "Une Tempete"eine karibische, postkoloniale Version von Shakespeares "The Tempest". Das Bewusstsein für die Existenz von vielen Erscheinungsformen einer Grundsprache ist größer - vielleicht auch aufgrund der Tatsache, dass die koloniale Vergangenheit Großbritanniens eine anerkannte Tatsache ist und sowohl Großbritannien als auch die USA, Kanada oder Australien sich selbstverständlich als Einwanderungsländer begreifen (wogegen das Deutsche Reich..., ach, die paar Kolonien (Infos dazu hier und hier und hier und hier und hier und  und Zuwanderungsland ist D. ja erst seit 2004.)

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang das Froschungsprojekt von Heike Wiese. Sie hat den Begriff "Kiezdeutsch" geprägt und versteht die Sprache Jugendlicher mit Migrationshintergrund als eine neue Varietät, also nicht als restringierten Code, sondern als eine Jugendsprache mit eigener Grammatik und eigenem Vokabular. Aus der Literatur sind mir bisher nur die Werke von Feridun Zaimoglu bekannt, z.B.  - der hantiert aber mit einer ziemlich mackerigen Kunstsprache und nicht einer tatsächlich existenten Sprache (Textauszüge aus "Kanak Sprak", Interview mit Zaimoglu).

Vielleicht ist es in Österreich, in der Schweiz, in Liechtenstein oder Luxemburg anders? Gibt es zum Beispiel Literatur, die das Jenische oder Deutsche mit dem Letzeburrgischen mischt? Kennt eine_r deutschsprachige Texte, in denen Sorbisch genutzt wird?

1 Kommentar:

  1. Die Sprache lässt sich offenbar recht gut dazu missbrauchen, jemanden auszuschliessen bzw. sich gegenüber anderen abzugrenzen. Danke für den Hinweis auf den Beitag auf Jayrome Seite, den ich mit Interesse gelesen habe. Als Schwäbin kenne ich das Gefühl, wenn einer einfach nur den Dialekt belächelt, die eigene Aussage aber ganz unerhört bleibt. Nach Lebensstationen als Schwäbin im Wedding, als Wessi im Osten (Leipzig), als Süddeutsche in Westdeutschland (Köln) und als Deutsche in der Schweiz bin ich wohl auch ein Stück weit desensibilisiert. Mein Fazit ist aber auch: Nette und weniger freundliche Menschen gibt es überall. Es ist wohl am klügsten, sich in seiner Umgebung Menschen zu suchen, mit denen man sich fühlt - aber so einfach ist das ja auch nicht... Herzliche Grüsse, Dorothea

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